Am aufregendsten war es mit Bulli, wenn es abends früh dunkel wurde und die Nächte lang waren.
Da liefen, dick eingemümmelt mit Mütze, Schal und Handschuhen, Tim und seine Eltern im Morgengrauen hinaus zu Bulli, um mit ihm Ausflüge an die Ostsee zu unternehmen. Kein Mensch hatte Lust, sich bei Eiseskälte aus der ‘Muffkoje’ zu trollen und an den Strand zu gehen. Man musste nur so früh draußen sein, dass die Hundebesitzer und ihre Hunde noch ihren süßen Träumen nachhingen. Die kurze Strecke durch den Küstenwald liefen drei Menschen und ein Bär spielend und um die Wette. Und wer gewann die Wette wohl?
Rate dreimal.
Manchmal verlor Bulli seine Menschenfamilie kurzzeitig, weil er mal weit voraus lief, mal querab und mal die drei Menschen an sich vorbeilaufen ließ. Er spielte Versteck mit ihnen: hinter Bäumen und im hohen braunen Farnkraut. Wurde er des Verlustes gewahr, stoppte er urplötzlich, richtete sich auf und forschte angestrengt nach ihnen. Er hörte sie und roch sie, konnte sie im dämmerdunklen Wald jedoch nicht sehen. Hatte er sie aber endlich ausgemacht, drehte er sich wie wild auf seinen Hinterbeinen mehrmals um sich selbst herum. Das sah so lustig aus, als würde er ihnen vor Freude ein Tänzchen vorführen wollen!
Das Meer roch besonders bei trübem Wetter verlockend nach Fisch und Muscheln. Bulli mochte den Strand manche Nacht allein aufgesucht haben, wobei er vorsichtig, sehr vorsichtig und umsichtig gewesen sein wird, denn Bären sind scheue und vor allem kluge Tiere. Die Spuren im Sand, die Tim sonst sorgfältig mit Zweigen verwischte, hielt man offensichtlich für den Scherz frecher Dorfjungs. Der Bär von Tims Familie war bei den gemeinsamen Spaziergängen stets als erster am Waldrand vor den Dünen.
Die Wette um den ersten Blick aufs Meer gewann er stets. Dort wartete er geduldig.
War die Luft rein und außer Möwen weder Menschen noch andere Tiere am Strand, rollte und trollte Bulli ans Ufer und stürzte sich in die Brandung. Mit den Tatzen hieb er ins Wasser. Vor lauter Gischt war er nicht mehr zu erkennen. Fische fing Bulli nicht. Nur Miesmuscheln schnurpselte er vernehmlich. Sie enthielten selten noch Fleisch, abgesehen davon, dass die Schalen scheußlich im Maul splitterten. Neugierig sahen die Möwen Bulli bei seinem Tun zu. Die fressgierigen Möwen waren viel geschickter als er. Sie pickten vor seiner Nase die Schalenhälften auseinander und schnappten sich das leckere Innenleben. Ihnen die Speise abzujagen, das war vergebliche Liebesmüh. Nach so viel Abenteuer und unergiebigem Jagdvergnügen hatte sich Bulli manchmal einen besonderen Leckerbissen verdient: Lachs aus der Tiefkühltruhe.
So hätte es ewig weitergehen können!
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